Das neueste Buch der neuen Außenministerin zeigt ein Weltbild, das nicht weit vom Rassismus liegt, und mit dem sie – sollte sie das in die österreichische Außenpolitik einbringen – schnell an Grenzen kommen wird, und genau das Gegenteil von einem „neuen Kreisky“ wird, wie Strache dies prognostiziert.
Zu: Karin Kneissl: „Wachablöse – Auf dem Weg in eine chinesische Weltordnung“, 2017
Ich hab das Buch gekauft und gelesen, weil es im Vorwort und auf den ersten Seiten einige simple vernünftige Sätze hat, wonach man China nicht ignorieren, sondern mehr beachten sollte, und Europa überhaupt auch mehr nach außen schauen sollte. Und immerhin empfiehlt sie StudentInnen ein Jahr nach China zu gehen. In Zeiten wie diesen freut man sich ja schon über einfache Durchbrüche des Hausverstands. Und ich hätte es wahrscheinlich nicht gelesen, wenn ich Bücher, die ebenfalls im Verlag „Frank und Frei“ (ein offensichtliches Überbleibsel der Ära Frank Stronach“) erschienen sind, beachtet hätte wie „Armutsindustrie“, „Genderismus“ u.a.
Das Buch wird zum Ende hin zunehmend skurriler, um damit zu enden, dass „Geografie und Biologie“ (S. 103) wieder in den Mittelpunkt gerückt werden sollen. HCs Jugendfreunde würden einfach „Blut und Boden“ sagen. Die geopolitische Expertin empfiehlt elegant: “Geschichtsgrundlagen, frei von ideologischer Verbrämung, sollten an Österreichs Schulen wieder gelehrt werden“. Was meint sie wohl damit? -Seit Jahren durchzieht ihre Aussagen ein „Biologismus“, der nicht weit vom „Rassismus“ entfernt ist. Von Verteilungsfragen, Reichtum und Armut, gleichen Rechten ist bei ihr praktisch fast nichts zu finden, dafür eben das bestimmende „Körperliche“, und da passt eben Verteilungsgerechtigkeit wirklich nicht dazu.
Konkret: sie analysiert den Männer-Überschuss durch Chinas langjähriger Einkind-Politik und kommt zum knallharten Schluss: “Eine Möglichkeit, die Gefahr sozialer Unruhen hintanzuhalten, ist der Export junger Männer in die Minen und auf die Erdölfelder auf dem afrikanischen Kontinent“ (S. 96). Und in einem „Gespräch“ – sonst gibt sie keine Quelle an – hat sie erfahren, dass von diesen „überschüssigen jungen Männern“ bzw. „von chinesischen Fremdarbeitern an den einheimischen Frauen immer wieder Vergewaltigungen begangen würden“. Auf bekannte Art wird die Besonderheit einer Nationalität in den Raum gestellt, ohne auf konkrete Fakten und Dimensionen auch nur ein Sekunde zu verwenden, ja es wird ohne weitere Begründung die Schlagzahl erhöht und eine monströse Sorge vorgebracht, die aber als Faktum kommt: “Die Sorge unter einigen Beobachtern ist auch, dass die überzähligen jungen Männer als Kanonenfutter eines Tages in einen konventionellen Krieg geworfen werden könnten“. (S.98).
Übrigens hätte ich für weitere Testosteron-Analysen die Anregung, dass es auch in peripheren Regionen wie dem Waldviertel durch eine stärkere Abwanderung junger Frauen einen beträchtlichen Überschuss junger Männer gibt, – und dort bekanntlich die sie nominierende Partei sehr stark ist.
Frau Kneissl hat offenbar ihren Horizont nach ihrem Knüller „TESTOSTERON MACHT POLITIK“ – es heißt wirklich so – erweitert, in dem sie 2012 das Testosteron junger Männer als wesentliche Triebkraft von Revolutionen, auch zuletzt in arabischen Ländern ausmacht. Weltweit hat das zwar kaum einen Newswert, denn etwa in den USA wird sowas schon lange Länge mal Breite verbreitet. In Österreich qualifizierte sie sich für Strache und Co aber so endgültig als „Expertin für Geopolitik“, als sie Flüchtlinge immer wieder als „Testosteronbomben“ bezeichnete, und so wurde sie von der FPÖ auch als Bundespräsidentschaftskandidatin angefragt.
Frau Kneissl dürfte ein schwer zu verstehendes, aber für sie einschneidendes Erlebnis gehabt haben, das sie so beschreibt: Für Chinesen seien Nichtchinesen „aufgrund von Geruch und Körperbehaarung ohnehin andere, optisch kurios anmutende Wesen, eventuell gar stinkende Langnasen: Zumindest fühlte sich die Autorin als solche in den Umkleidekabinen im Pekinger Hallenbad, wo schlicht keine körperliche Ausdünstung zu riechen ist“ (S. 87) – womit wir wieder bei den biologischen Basics wären, die aber – DiplomatInnen sollen ja für die Wirtschaft da sein -sofort mit einem praktischen Ratschlag verbunden werden :“China eignet sich daher auch nicht als großer Exportmarkt für Deodorants“.
Als „geopolitische Expertin“ für fast alles nimmt sie aber auch zu anderen Fragen als zur „Bedrohung“ durch China Stellung: Sie entlarvt die „Mitleidsindustrie“. Die „Entwicklungszusammenarbeit“ pflege nur „Bevormundung“, aber sie sieht auch Positives, wenn man sie privatisiert: „Unternehmen schaffen Arbeitsplätze“ (S.59). Ja so einfach können Dinge auf den Punkt gebracht werden. Und nun wird sie gar für Entwicklungszusammenarbeit zuständig.- Natürlich kritisiert sie im Kurz-Strache-Stil Merkel, auch die deutsche „Energiewende“ (S. 102). Zum Teil wird es auch grotesk: sie behauptet, in Deutschland werde Erdgas diskriminiert (S. 51). Sie kritisiert die USA, dass sie in Georgien 2008 und in Libyen 2011 zu wenig aktiv eingegriffen habe. (S. 42). Ohne Quellen behauptet sie, dass China „die syrische Verwaltung finanziert und damit die Zahlung der Gehälter an Staatsbedienstete und Soldaten ermöglicht“ (S. 53).
Sie schreibt zu China übrigens auch etliches Zweitrangiges, was leicht als Unfug nachweisbar, aber nicht wichtig ist, und das kommt bei schnellen Schriften neuer Chinaexperten oft vor. Bemerkenswert ist, dass Kneissl, wenn sie überhaupt Quellen angibt, kaum Bücher zitiert – umfassendere Analysen würden Vorurteile vielleicht erschüttern, sondern Internetquellen; gut, das machen Studentinnen in den ersten Semestern oft auch, weil es einfach – jenseits von Qualität – einfach schneller geht.
Sie endet mit: „In Wien hat man bislang nicht begriffen, was auf dem Spiel steht.“ (S. 104) Und im Zusammenhang mit der Betonung von „Biologie und Geografie“ zum Nahen Osten und Nordafrika: „Hier China einrücken zu lassen, bedeutet eine Schwächung Europas auf allen Ebenen“ (S. 103). Wer soll nun für das Angestammte ausrücken?
OK, für Kurz und Strache mag die Lektüre schon nützlich sein. Es passt in ihr Weltbild, und es kann nicht schaden sein zu erkennen, dass es eine Welt jenseits der Balkanroute gibt, und auch dass das bevölkerungsreichste Land der Welt wichtig ist und wichtiger wird. Und es ist auf 100 Seiten sehr luftig geschrieben, hab 2 ½ Stunden mit genauem Lesen gebraucht, aber interessant ist es letztlich nur deswegen, weil so etwas von unserer Außenministerin stammt.
Josef Baum
Lehrbeauftragter am Institut für Ostasienwissenschaften und am
Institut für Geographie und Regionalforschung, Universität Wien
Diese Dame reiht sich ebenbürtig in das Weltbild Boris Johnsons, Orbans, ja sogar Trumps.
Der Zynismus mit dem sie die kurdische Autonomie im Irak ablehnt weil testosterongesteuerte arabische Männer nur in einem diktatorischen Einheitsstaat zu organisieren sind ist gewaltig…..